Böhme Jacob
geb. am 1575, Stary Zawidów
gest. am 17. November 1624, Zgorzelec
Słownik Biograficzny Ziemi Jeleniogórskiej

Mystiker, Philosoph und christlicher Theosoph

Idealisiertes Porträt Jacob Böhmes.

Jacob Böhme stammte aus einer alt eingesessenen, wohlhabenden Bauernfamilie aus Alt Seidenberg, heute Stary Zawidów (PL) südöstlich von Zgorzelec [1]. Ihr Familienname legt eine Abstammung aus dem damals deutschsprachigen Teil Tschechiens nahe. Jacobs Eltern waren Jacob († 1618) und Ursula Böhme. Schon als Hirtenjungen beeindruckten den jungen Jacob jun. die Geheimnisse der Natur und deren Sinn und Deutung in seinem christlichen Glauben [2]. Der Unterricht in der Stadtschule im nahen Seidenberg (Zawidów) sollte die einzige institutionelle Bildung in seinem Leben bleiben. Im Laufe seines späteren Lebens las er jedoch vieler hoher Meister Schriften, wie er selbst bezeugte, z. B. von Kaspar Schwenkfeld, Paracelsus oder Mystikern. Auch disputierte er mit gelehrten Freunden [3].


Da Jacob körperlich zur Bauernarbeit zu schwach war, trat er im vierzehnten Lebensjahr eine Schuhmacherlehre in Seidenberg an. Nach drei Jahren schloss er sie ab und begab sich mit 18 oder 19 Jahren auf Wanderschaft. In der unruhigen Zeit der Glaubenskämpfe lernte er die religiösen Auseinandersetzungen zwischen den Konfessionen kennen, was beim empfindsamen Jacob „einen tief schmerzlichen Eindruck“ hinterließ [4]. 1594 ließ er sich in Görlitz nieder, wo er wohl zunächst als Schuhmachergeselle arbeitete. 1599 wurde er Meister und Görlitzer Stadtbürger. Er heiratete am 10. Mai 1599 Catharina (*um 1580; † 1625), Tochter des Fleischermeisters Hans Kuntzschmann. Das Paar hatte vier Söhne [5].


In dem heutigen Jacob-Böhme-Haus in Zgorzelec (ul. Daszyńskiego 12), ehemals vor dem Görlitzer Neißetor gelegen, lebte er von 1599 bis 1610 und unterhielt seine Schuhmacherwerkstatt. Darauf erwarb er ein anderes Haus, unmittelbar an der Neißebrücke, das nicht erhalten ist [6]. Böhme scheint ein arbeitsames, frommes und unauffälliges Leben geführt zu haben, wobei er aber oft über die Erscheinung Gottes in seiner Schöpfung nachsann. Seine anfängliche Überzeugung, dass Gott in Kraft seines Hl. Geistes nur im Himmel regiere und dass es in der Welt dem Gottlosen so wohl ginge, habe dazu geführt, dass er in eine harte Melancholei und Traurigkeit geraten sei, wie er selbst berichtet [7]. Schon um 1600 soll ihm aber beim Anblick eines im Sonnenlicht aufstrahlenden dunklen Zinngefäßes die Erleuchtung gekommen sein, dass in allen Kreaturen und Dingen bereits das Göttliche im Widerstreit mit der Finsternis vorhanden sei [8]. Es sollten jedoch noch zwölf Jahre vergehen, bis es ihn drängte, seine Erkenntnisse schriftlich niederzulegen. Um 1610 fühlte Böhme abermals, dass Gott ihn mit seinem Hl. Geiste erleuchtet habe und seinen Willen auf Erden verstehen ließ [9]. Von Januar 1612 an begann er, sein erstes Werk, die Morgen Röte im auffgang, von Freunden Aurora genannt, niederzuschreiben. Der Adlige Karl von Ender, berührt von dem Gelesenen, sorgte für die Verbreitung der Aurora. Böhme gab schließlich sein Schusterhandwerk auf, da er die Berufung fühlte, seine religiösen Erkenntnisse weiterzugeben. Seinen Unterhalt verdiente er von nun an mit dem Handel von Garnen und wollenen Handschuhen.


Der Görlitzer Oberpastor Gregor Richter († 1624) verurteilte Böhmes Aurora scharf von der Kanzel herab, bezeichnete ihn als Erzketzer und zeigte ihn 1613 beim Stadtrat an. Dieser ließ Böhme in Haft nehmen. Unter dem Versprechen, künftig nicht mehr zu schreiben, wurde er jedoch nach kurzer Zeit entlassen. Fünf Jahre lang hielt er sich eisern an die erzwungene Zusage, während Pfarrer Richter ihm weiter öffentlich zusetzte und ihn zum „Gegenstand des Stadtgelächters“ machte [10]. Die Aurora fand jedoch trotzdem immer weitere Verbreitung, und einflussreiche Leute ermutigten ihn, seine Schreibtätigkeit 1618/19 wieder aufzunehmen [11]. Bis zu seinem Lebensende verfasste er nun noch 32 größere oder kleiner Schriften [12].


In seinen Schriften legte Jacob Böhme dar, wie man in allen großen und kleinen, lebenden und toten Dingen der irdischen Natur die Liebe und den Willen Gottes und somit große Freude erfahren könne. Der Schlüssel, den Willen Gottes zu erkennen, sei sein leibgewordener Sohn Jesus Christus, der den Menschen durch seine Aufopferung die unbegrenzte Gnade und Liebe seines Vaters erschlossen habe [13]. Er erlöse den Menschen nach seinem Sündenfall aus dem von Luzifer gewollten verderblichen irdischen Zustand, der Zorn Gottes sei [14], und ermögliche die Wiederherstellung der ursprünglichen göttlichen Ordnung [15]. Wer dies erkenne und verinnerliche, erlebe nach seiner ersten äußersten Geburt eine neue innerste Geburt [16], die ihn schon auf Erden die Anwesenheit Gottes fühlen lasse. Der Mensch müsse wahrhaft angezündet werden, um das göttliche Wesen, das inwendig in uns sei [17], zu erfassen [18]. Allerdings sei das irdische Leben durch den Tod vom Paradies abgetrennt [19], so dass man dessen voller Glückseligkeit erst nach dem Tode teilhaftig werden könne.


Auf Erde befänden sich in allen Dingen und Kreaturen zwo Qualitäten, eine gute und eine böse [20], die immerfort im Wettstreit miteinander lägen und Leben und Sterben, Leiden und Lieben antrieben [21]. Es herrschten dabei die beiden gegensätzlichen Prinzipien des Lichtes und der Finsternis oder die der Liebe und des Zorns Gottes [22]. Letzterer habe dabei den göttlichen Zweck, die Kinder Gottes anzutreiben, sich im Geiste Gottes zu bewegen [23]. Das Böse ginge jedoch nicht von Gott aus, sondern nur die natürlichen irdischen Kräfte, die es bewirkten [24]. Der sündige Mensch lenke eben diese in eine verderbliche Richtung, wenn er sich Gottes Willen verschließe. Das Böse, das somit im Innern des Menschen liege [25], sei also die Folge der Sünde, die in der Erhebung des Willens des Geschöpfes wider den Willen Gottes liege [26].


Böhme traf sich mit Ärzten, Humanisten und interessierten Adligen und entwickelte seine theosophischen Gedanken weiter [27]. Zwischen 1621 und 1624 ging er sechsmal auf Reisen, die ihn durch Schlesien und bis nach Prag führten [28]. Als die Teuerung seinen Handelsverdiensten ein Ende setzte, war Böhme auf die Unterstützung seiner Gönner, vornehmlich schlesischer Gutsherren, angewiesen [29]. So ermöglichte 1623 Johann Sigismund von Schweinichen (1590–1664) die Drucklegung seiner Schriften Vom übersinnlichen Leben und Von wahrer Buße [30]. Ein weiterer Verehrer veröffentlichte im Januar 1624 wohl ohne sein Wissen seine Schrift Weg zu Christo, ein Meisterwerk christlicher Mystik [31]. Der Görlitzer Pfarrer Richter wendete sich daraufhin erbost mit einer Schmähschrift gegen Böhme und forderte den Stadtrat auf, ihn auszuweisen. Dieser riet Böhme jedoch lediglich freundschaftlich, sich etwas beiseite zu machen, so dass er schließlich im Mai 1624 nach Dresden entwich, wohin er zuvor eingeladen worden war. In einem Colloquium untersuchte das dortige ev. Oberkonsistorium seine Schriften und kam zum Urteil, dass er ein frommer, rechtschaffener Christ sei [32]. Die erhoffte geistige Unterstützung seines Glaubens durch den Kurfürsten, der in ihm einen Alchimisten suchte, fand er jedoch nicht. So begab sich Böhme zurück nach Görlitz. Auf seiner letzten Reise, die ihn wieder nach Schlesien führte, erkrankte er an einem Fieber, das sich nach seiner Rückkehr nach Görlitz verschlimmerte.


Noch auf seinem Sterbebett musste er sich einem Glaubensverhör der örtlichen Geistigkeit unterziehen, um nach seiner Beichte die Absolution und das heilige Abendmahl zu erhalten [33]. Nach zehntägiger Bettlägerigkeit nahm er nach anfänglich unverständlichem Murmeln unvermutet mit seinen letzten Worten „Nun fahre ich hin ins Paradies!“ Abschied von den Seinen „und verschied, mit fröhlicher Miene“, wie es heißt [34]. Der neue Oberpastor Nikolaus Thomas, Nachfolger Richters, weigerte sich, die Grabrede für sein umstrittenes Gemeindemitglied zu halten. Die Durchführung des Trauergottesdienstes wurde erst durch Stadtratsbeschluss erzwungen und das Grabkreuz auf dem Görlitzer Nikolaifriedhof bereits nach wenigen Tagen geschändet. Katharina überlebte ihren Mann nur um ein Jahr [35].


Bevor der Pietismus Böhmes geistiges Vermächtnis wiederentdeckte, fristete es lange Jahrzehnte ein Schattendasein. In den freigeistigen evangelischen Ländern England und Holland erfuhren seine Schriften jedoch Übersetzungen und Veröffentlichungen, gefördert von Quäkern, Böhmisten und der Philadelphian Society [36]. In Deutschland erfolgte seine erneute Wertschätzung erst im Rahmen der Romantik, die sich von seiner sprachlichen Kraft und seiner metaphysischen Logik beeindruckt zeigte. Hegel nannte Böhme in Anlehnung an dessen von seinen Freunden zu Lebzeiten erhaltenen Namen Teutonicus Philosophus gar den „ersten deutschen Philosophen“ [37]. Auch Leibnitz, Hegel, Schelling und Ernst Bloch sowie die Schriftsteller Friedrich von Hardenberg (Novalis) und Ludwig Tieck schätzten seine Werke [38].


Fußnoten:

[1]WEHR (2012), s. 8.

[2]BUDDECKE (1955), S. 388ff.

[3]HAMBERGER (1876), S. 65f.

[4]HAMBERGER (1876), S. 65f.

[5] http://kulturstiftung.kkvsol.net/Jacob-boehme

[6] http://kulturstiftung.kkvsol.net/Jacob-boehme

[7]BÖHME (1612), Kap. 19. Abs 1 bis 8.

[8]HAMBERGER (1876), S. 66.

[9]BÖHME (1612), Kap. 19, Abs. 10 u. 13; vgl. HAMBERGER (1876), S. 66.

[10]HAMBERGER (1876), S. 66f.

[11]WEHR (2012), S. 17.

[12]HAMBERGER (1876), S. 67.

[13]Vgl. BÖHME (1612), Kap. 15, Abs. 46.

[14]BÖHME (1612), Kap. 19, Abs. 18 u. 28.

[15]BÖHME (1612), Kap. 19, Abs. 21; Kap. 19, Abs. 82; vgl. WEHR (2012), S. 55.

[16]BÖHME (1622-a), Kap. I, Abs. WEHR (2012), S. 37.

[17]BÖHME (1622-a), Kap. 1, Abs. 2; BÖHME (1622-c), Kap. 4, Abs. 24.

[18]WEHR (2012), S. 21.

[19]BÖHME (1612), Kap. 19, Abs. 31.

[20]BÖHME (1612), Kap. 1, Abs. 2; Kap. 2, Abs. 4; Kap. 19, Abs. 6.

[21]BÖHME (1612), Kap. 2, Abs. 3; Kap 25, Abs. 46 u. 52.

[22]BÖHME (1612), Kap. 18, Abs. 28.

[23]BÖHME (1622-a), Kap. 7, Abs. 15; (1612), Kap. 19, Abs. 22.

[24]BÖHME (1612), Kap. 2, Abs. 17 u. 35.

[25]BÖHME (1622-a), Kap. 1, Abs. 8.

[26]BUDDECKE (1955), S. 388ff.

[27] http://kulturstiftung.kkvsol.net/Jacob-boehme

[28]WEHR (2012), S. 19.

[29]BUDDECKE (1955)., S. 388ff.

[30]HAMBERGER (1876), S. 67.

[31]BUDDECKE (1955), S. 388ff.

[32]HAMBERGER (1876), S. 67.

[33]WEHR (2012), S. 19.

[34]HAMBERGER (1876), S. 67.

[35]HAMBERGER (1876), S. 67 ; http://kulturstiftung.kkvsol.net/jakob-boehme.

[36]Eine Gesellschaft, welche 1647 in England von Jone Teade, einer Verehrerin Jakob Böhmes, zur Erklärung seiner Schriften gegründet wurde.

[37]BUDDECKE (1955), , S. 388ff.

[38]WEHR (2012), S. 7.


Quellen:

  1. Sämtliche Schriften. 11 Bde., Faksimile der Ausgabe von 1730, hrsg. von Will-Erich Peuckert., Stuttgart-Bad Cannstatt 1955–1989.
  2. Die Urschriften. 2 Bde., im Auftrag der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen hrsg. von Werner Buddecke, Stuttgart-Bad Cannstatt 1963–1966.
  3. Wichtige Schriften:
    • (1612): Die Morgenröte im Aufgang [Aurora].
    • (1620-a): Von der Menschwerdung Jesu Christi.
    • (1620-b): Von sechs Theosophischen Puncten.
    • (1622-a): Von der Neuen Wiedergeburt.
    • (1622-b): Von der Geburt und Bezeichnung aller Wesen.
    • (1622-c): Vom übersinnlichen Leben.
    • (1623) Von der Gnaden-Wahl.

Literatur:

  1. BUDDECKE (1955): Werner Buddecke, „Böhme, Jacob“, in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 388-390. : Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118512579.html.
  2. HAMBERGER (1876): Julius Hamberger, „Böhme, Jacob“, in: Allgemeine deutsche Biographie 3 (1876), S. 65-72.
  3. WEHR (2012): Gerhard Wehr, Der Mystiker Jakob Böhme – mit Texten von Gerhard Wehr. Wiesbaden 2012.

Abbildungen:

  • Hauptaufnahme: Idealisiertes Porträt Jacob Böhmes. Jacob Böhme, Theosophia Revelata: Das ist: Alle Göttliche Schriften ... Anbey ... Joh. Ges. Gichtels ... Geistreichen Summarien ; In Beyfügung des Auctoris J. B. ... Lebens-Laufes u. dienlichen Registern / Jacob Böhmens. [ohne Ort] 1730.
  1. Jacob-Böhme-Haus in Zgorzelec, ul. Daszyńskiego 12. Varp 2007 (CC Creative Commons).
  2. Grab Jacob Böhmes auf dem Nikolaifriedhof in Görlitz. Gerhard Schiller 2011.

Autor - Gerhard Schiller




Jacob-Böhme-Haus in Zgorzelec, ul. Daszyńskiego 12. Varp 2007 (CC Creative Commons).
Grab Jacob Böhmes auf dem Nikolaifriedhof in Görlitz. Gerhard Schiller 2011.

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