Kostial Dominik geb. 30. Januar 1899, Datynie Dolne (Czechy) gest. 17. Juli 1974, Jelenia Góra |
Der Kresy (Grenzland)-Stämmige, der in der Zeit der Volksrepublik Polen verfolgt wurde, hörte niemals auf, Menschen mit größter Nächstenliebe zu begegnen. Er blieb den Pfarrgemeindemitgliedern als Seelsorger und Mensch mit großer charismatischer Persönlichkeitin Erinnerung. Für seine Unerschütterlichkeit und Rechtschaffenheit wurde er in die Gruppe der sog. Unerschütterlichen Priester eingereiht. Er wurde am 30. Januar 1899 in Datynie Dolne (Nieder Dattin)[1] in Śląsk Cieszyński (Teschener Schlesien) geboren. Seine Eltern, Franciszek und Barbara, die von der Landwirtschaft lebten, bemühten sich stets darum, dass ihre zwölf Kinder eine Ausbildung erhielten. Barbara Kostial (geborene Jureczek) war Tschechin. In Schönhof, ihrem Heimatdorf, hatten ihre sieben ältesten Kinder eine tschechische Schule besucht. Dominik schloss als erstes der restlichen fünf Geschwister dieGrundschule mit Polnisch als Unterrichtssprache ab. In Ostrau machte er eine Kaufmannslehre, jedoch durchkreuzte der Ausbruch des 1. Weltkriegs die Familienpläne. Den Dienst in der Armee Franz-Josephs I. leistete er als Untergebener aus Galizien in der sog. Landsturmeinheit ab. Mit sechzehn Jahren gelangte er an die italienische Front, wo ihn in einem Zustand völliger Erschöpfung sein ältester Bruder Antonius[2] gefunden und gerettet hat. Im Jahre 1918 hat er sich als Freiwilliger zur Polnischen Armee gemeldet, wo er im Polnisch-Ukrainischen Krieg in Ostkleinpolen kämpfte, zwei Jahre später nahm er am Polnisch-Sowjetischen Krieg unter dem Befehl von General Żeligowski teil. Nach Erlangung der Unabhängigkeit durch Polen fuhr er nach Lwów (Lemberg) und obwohl er sich im aktiven Militärdienst befand, beendete er dort im Jahre 1923 das Gymnasium. Nach dem Abitur ging er ins Priesterseminar, das sich in den ehemaligen Klostergebäuden der barfüßigen Karmeliterinnen befand. Im Jahre 1926 nahm er das fünfjährige philosophisch-theologische Studium an der Johann-Kasimir-Universität in Lwów (Lemberg) auf, das er 1931 abschloss und vom Lemberger Metropolit, Pfarrer Erzbischof Bolesław Twardowski zum Priester geweiht wurde. In den ersten Jahren seiner Seelsorgearbeit (1931-1938) arbeitete er als Kaplan in der Pfarrei Buczacz (Butschatsch), verwaltete die Pfarrei Byczkowce und Petlikowice Nowe. Er zeigte sich als fähiger Verwalter; er schloss den Bau der Kirche ab, sorgte für ihre Einrichtung, errichtete ein gemauertes Pfarrhaus und Wirtschaftsgebäude. Diese Errungenschaften wären ohne die Unterstützung der Pfarrmitgliederunmöglich, die ihrem Kaplan grenzenloses Vertrauen schenkten und ihm ihre Hilfe bei der Spendensammlung u.a. für den Bau der Orgel in Byczkowce anboten. Die Armen und Gebrechlichen konnten immer auf seine Unterstützung zählen. Nach vielen Jahren erinnerte er sich daran, dass zu den größten Leistungen, die er dank Gottes Gnade verwirklichen konnte, die Rückgewinnung der Andersgläubigen der polnisch-nationalen Kirche, der sog. „Pharaonen“, für die katholische Kirche war. Bereits damals konnte sein ausstrahlendes Charisma wahrgenommen werden, das ihn bis zu seinem Ende begleitet hat. Für seine Verdienste als Seelsorger wurde er 1935 mit dem Titel des Kanonikers geehrt. In der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstand in Italien eine apostolische Laienbewegung, die als Katholische Aktion bekannt wurde; in Polen entfaltete sie seit 1926 ihre Tätigkeit besonders dynamisch im Gebiet der Lemberger Erzdiözese, wo Organisationen ukrainischer Nationalisten, die feindselig gegenüber der polnischen Bevölkerung und den Katholiken eingestellt waren, ihre Stimmen erhoben. Pfarrer Kostialnahm aktiv an der Tätigkeit zur Verbreitung katholischer Werte im gesellschaftlichen Leben teil und gründete katholische Vereinigungen: der Weiblichen Jugend, der Männlichen Jugend, der Frauen sowie den Ministrantenkreis. Seine angestrengte Arbeit wurde vom Pfarrer Erzbischof Bolesław Twardowskigewürdigt, der ihn im Jahre 1938 in eines der ärmsten Stadtviertel von Lwów (Lemberg) – die Pfarrei der Rosenkranz Muttergottes in der Warszawska Straße nach Kleparów versetzte. Die Pläne zur Errichtung eines neuen Gotteshauses wurden vom 2. Weltkrieg verhindert. Mit Hilfe des zweiten Pfarrers, Emil Kałuski, führte er eine Armenküche für Bedürftige und Obdachlose und ernährte somit bis zu 200 Personen. Von der an das Lemberger Ghetto anliegenden Pfarrei aus übergab er häufig, unter Einsatz seines eigenen Lebens, Nahrungsmittel an die jüdische Bevölkerung und bot ihr bei Bedarf Obdach an. Am 06. Juni 1946 verließ er Lwów (Lemberg) und ging nach Wrocław (Breslau). Kraft der Entscheidung des Apostolischen Protonotars Pfarrer Karol Milik, übernahm er die Pfarrei St. Heinrich. Wegen Priestermangels übernahm er (bis Mitte 1947) auchdie Seelsorgearbeit in der Pfarrei zum Hl. Geist im Stadtviertel Tranogaj (Dürrgoy). Pfarrer Kostial machte sich mit der für ihn typischen Energie an den Wiederaufbau der durch Kriegshandlungen zerstörten Gotteshäuser und Pfarrgebäude sowie an die Organisation der Seelsorgearbeit. Den aus unterschiedlichen Gebieten ankommenden Siedlern half er, sich in der neuen Realität zurechtzufinden[3]. Der Aufenthalt Pfarrers Kostials in Wrocław (Breslau) war auch die Zeit intensiver Jugendarbeit: er lehrte Religion in der Grundschule und am Gymnasium, hatte das Amt des Präfekts des Staatlichen Pädagogischen Lyzeums und der Übungsschule inne. Wahrscheinlich haben diese Erfahrungen der Pionierzeit, die er im multikulturellen Nachkriegsbreslau machen konnte, sowie seine herausragenden Charaktereigenschaften und vor allem seine konsolidierenden Fähigkeiten bei der Integration heterogener Bevölkerung dazu geführt, dass er Mitte des Jahres 1949 als Katechet und Kaplan durch die Kirchenoberen zur Seelsorgearbeit nach Jelenia Góra (Hirschberg) geschickt wurde. Nach der offiziellen Benennung zum Gemeindepfarrer und Dekan übernahm er am 14. Februar 1949 die Erasmus-und-Pankratius-Pfarrei. Jelenia Góra (Hirschberg) der ersten Nachkriegsjahre stellte, ähnlich wie Wrocław (Breslau), eine Anhäufung von Menschen unterschiedlicher Herkunft dar; sie kamen von überall her aus Polen und bedurften finanzieller und seelischer Unterstützung. Die Stadt zählte zur damaligen Zeit ca. 40 Tsd. Einwohner und die Pfarrei von Pfarrer Kostial war die einzige in der Stadt. Für den Gemeindepfarrer und vier Kaplane, die unter ihrer Obhut Jeżów Sudecki (Grunau), Dąbrowica (Eichberg), Raszyce (Straupitz), Filialkirchen und Pfarreien hatten, waren es schwere Jahre. Außer den gewöhnlichen kirchlichen Pflichten und der Hilfsarbeit für die Arme, musste jeder der Geistlichen 40 Wochenstunden Religionsunterricht erteilen, der damals noch in den Schulen gegeben wurde. Die Jahreswende 1948/49 brachte eine immer schwieriger werdende Situation für Priester in Polen. Die jeweils darauffolgende Maßnahmen und Erklärungen ließen keine Illusionen zu. Die Kirche sah sich vor ihre wahrscheinlich härteste Probe gestellt. In Jelenia Góra (Hirschberg) war das nicht anders. Der Staatssicherheitsdienst des Landkreises unternahm Aktivitäten zur Desintegration und zum Aufdecken der Geistlichkeit. Für allePriester wurden Akten angelegt. Im Zentrum der Aufmerksamkeit der Behörde befand sich auch Pfarrer D. Kostial. Man stellte bei ihm eine kritische Einstellung gegenüber Propagandaaktionen, wie etwa gegenüber dem Kongress der “Priester-Patrioten”, der Förderung der Kollektivierung der Landwirtschaft oder dem Vorhaben unter dem Namen Friedensplebiszit, fest. Anlass zur Sorgeseitens der Behörden gab es auch wegen seiner Seelsorgearbeit mit der Jugend. Das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren hatte zum Ziel, ihn mit der Jugendorganisation der Polnischen Unabhängigkeitsuntergrundarmee in Verbindung zu bringen. Als dies nicht gelang, wurde er im März 1950 unter dem Vorwurf der Zusammenarbeit mit Kampfeinheiten der geheimen Jugendvereinigung Orlętainhaftiert, die 1949 von Antoni Chyliński gegründet wurde. Ihre Mitglieder (rund ein Dutzend Schüler der Hirschberger Schulen) beschäftigten sich mit didaktischer Arbeit und in den von ihnen kolportierten Broschüren brachten sie ihren Widerspruch gegenüber der Staatspolitik zum Ausdruck. Nach ihrer Aufdeckung und den durchgeführten Schauprozessen wurden sie zu langjährigen Haftstrafen verurteilt[4]. Trotz hartnäckiger Verhöre, Schikanen und Qualen hat Pfarrer Kostial seine Schüler nicht verraten; nach drei Monaten Haft und einem Gerichtsprozess wurde er freigelassen, wobei eine Aufsicht seitens der Sicherheitsorgane andauerte. Ein Jahr später, am 22. März 1951 wurde er erneut festgenommen. Daraufhin setzte sich für ihn der Chef der Breslauer Erzdiözese, Pfarrer Kazimierz Lagosz ein, der ein Schreiben an den Minister Antoni Bida, Direktor des Amts für Konfessionen in Warszawa (Warschau) richtete. Der Staatssicherheitsdienst machte jedoch unaufhörlich Druck, um Pfarrer Kostial aus Jelenia Góra (Hirschberg) abberufen zu lassen. Er wurde als besonders gefährlich eingestuft, als jemand, der reaktionäre Einstellung offenbarte und unversöhnlich gegenüber gesellschaftlichen Propagandaaktionen stand. Auf seine Stelle wurde Pfarrer Jan Piskorz berufen. Im November 1952 legte Pfarrer Kostial seine Funktionen nieder und bekam ein Dekret, indem er aufgefordert wurde, Jelenia Góra (Hirschberg) zu verlassen. Die Situation normalisierte sich im Jahre 1953etwas, obwohl anfangs versucht wurde, Pfarrer Adam Łańcucki das Amt zu übergeben, welcher dieses Angebot ausschlug. Pfarrer Kostial verblieb in der Pfarrei und legte im Wojewodschaftsnationalrat das gesetzlich erforderliche Gelöbnis ab, welches ihm erlaubte, seine Seelsorgearbeit fortzusetzen. Das Jahr 1957 brachte ihm den Titel des Prälaten und neue Pflichtenein, unter anderem diedes Religionsunterrichtinspekteurs in den Hirschberger Schulen. Als im Jahre 1961 der Religionsunterricht aus dem Lehrplan genommen wurde, hat Pfarrer Kostial für die Katechese das Pfarrgebäude an der Kopernika Straße zur Verfügung gestellt und es mit der für den Unterricht erforderlichen Ausstattungversehen. Er fügte sich auch nicht dem Druck von außen, der ihn zur Erstellung von Listen jener Schüler zwang, die am Religionsunterricht teilnahmen, sowie zur Registrierung von Einrichtungen, in denen Religionsunterricht erteilt wurde. Die Erasmus-und-Pankratius-Kirche verdankt Pfarrer Kostial ihre neue Inneneinrichtung, drei neue Glocken sowie die Audioanlage. Die von ihm gehaltenen Heiligen Messen versammeltenjedes Mal große Menschenmengen. Sie haben sich durch Herzlichkeit, Nächstenliebe, Empathie für das menschliche Leid, Armut und Schwäche – besonders prägende Eigenschaften innerhalb der Beziehungen zwischen den Übersiedlern, ausgezeichnet. Die integrierende Wirkung wurde durch seine Fremdsprachenkenntnisse noch verstärkt. Pfarrer Kostial war ein Polyglott. Aus seinem Heimatdorf brachte er die Kenntnis der tschechischen Sprache mit und während seines Studiums lernte er fließend Deutsch und Französisch. Die letztere Sprache war ihm bei Kontakten mit den Übersiedlern aus Frankreich besonders hilfreich. Seit 1970 kämpfte er gegen eine schwere Krankheit an. Im Jahre 1972 wurde er von seinem Amt als Hirschberger Dekan entlassen und zum Ehrendekan benannt, im Jahre 1974 legte er die Funktion des Gemeindepfarrers nieder; er setzte sich zur Ruhe und verblieb in Jelenia Góra (Hirschberg). Pfarrer Prälat Dominik Kostial starb am 17. Juli 1974. Den Trauerzug führte Bischof Wincenty Urban aus Wrocław (Breslau) an, assistiert von Pfarrer Stanisław Turkowski sowie zahlreichen Pfarrern der gesamten Diözese. Die Pfarrmitglieder trugen seinen Sarg von der Kirche bis zum Friedhof in der Sudecka Straße auf ihren eigenen Schultern. Im Jahre 2012 hat der Stadtrat von Jelenia Góra (Hirschberg) in der Anerkennung seiner Verdienste eine der Straßen im Stadtzentrum nach Pfarrer Kostialbenannt. Fußnoten:[1]Gemeindelexikon von Schlesien. Bearbeitet auf Grund der Ergebnisse der Volkszahlung vom 31. Dezember 1900[online]. Wien, 1906 [Eingesehen am 09. September 2013]. Zugang von: http://wiki-commons.genealogy.net/images/thumb/8/89/Oesterreich-11.djvu/page53-1804px-Oesterreich-11.djvu.jpg [2]K. Bulzacki. Zawsze wierni Tobie Polsko. Jelenia Góra, 1999. S. 146 [3]D. Nespiak. Kościół na Kresach. Gespräch geführt von M. Lewandowska [online]. „Tygodnik Katolicki Niedziela” 2011, Nr. 45 [Eingesehen 09. September 2013]. Zugang von: http://www.niedziela.pl/artykul/60800/nd/Kosciol-na-Kresach [4]R. Klementowski. Antoni Chyliński [online]. Jelenia Góra, 2010 [Eingesehen 09. September 2013]. Zugang von: https://jbc.jelenia-gora.pl/Content/3597/chylinski_antoni.html Literaturverzeichnis:
Internetquellen:
Abbildungsmaterial–Fotografien und Scans:
Autor: Robert Bogusłowicz Ubersetzung: Dominik Moser |
Słownik Biograficzny Ziemi Jeleniogórskiej | © Książnica Karkonoska 2013 Jelenia Góra |