Bach Erle
geb. am 05. November 1927, Jelenia Góra
gest. am 27. Mai 1996, Efringen-Kirchen in Baden
Słownik Biograficzny Ziemi Jeleniogórskiej

Schriftstellerin, Förderin der schlesischen Volkskultur in Deutschland, Aktivistin für Völkerverständigung.

Erle Bach

Hanna-Barbara Strehblow wurde in Hirschberg (Jelenia Góra) in der Familie von Franz und Katharina Rauthe geboren. Ihr Vater stammte aus Harrachsdorf (Harrahov), wo seine Eltern, die Großeltern von Hanna Barbara, eine Glasschleiferei und die Bierstube „Teufelsberger Bierhalle” führten. In den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts reichte die Bekanntheit des Vaters von Barbara als Skilehrer und Interpret von Musikstücken auf der Zither weit über den Bekanntheitskreis der Alten Erlenbachbaude und der Spindlermühle hinaus. Die Mutter der Schriftstellerin, Katharina Rauthe geb. Jannuschka stammte aus Bendzin (Będzin) in Oberschlesien und war psychisch unausgeglichen. Nach zwei Selbstmordversuchen und einem Aufenthalt in der Anstalt für psychisch Kranke Personen in Plagwitz (Płaskowice) bei Löwenberg in Schlesien (Lwówek Śląski) wurde sie im Zuge der durch die Nazis angewandten Euthanasie ermordet [1].


Der Vater der künftigen Schriftstellerin, Franz Rauthe, verließ die Familie und zog im Jahre 1932 nach Tschechien um. Um das damals fünfjährige Mädchen und seinen Bruder Gerhard kümmerte sich die jüngste Schwester der Großmutter der kleinen Barbara, Marta Dressler. Sie wohnte mit ihrer Mutter Barbara Feist geb. Erlebach (1847-1936), die aus der Familie stammte, der die berühmte Riesengebirger Herberge Alte Erlebachbaude, die am Spindlerpass gelegen ist, gehörte. Die starke Persönlichkeit der Urgroßmutter sowie die von ihr mit großer Hingabe kultivierte schlesische Tradition hatten einen großen Einfluss auf das Mädchen, was viele Jahre später zur Annahme des Künstlerpseudonyms Erle Bach, das an den Namen seiner Vorfahren, die Besitzer der alten Bergwirtschaft, anknüpfte, führte.


Von der Urgroßmutter lernte die künftige Schriftstellerin die berühmte Hirschberger Stichnaht und die einzigartige Sticktechnik des Hirschberger Nadeltülls. Hanna Barbara wurde in sehr bescheidenen Bedingungen erzogen, weshalb ihre Ausbildung vor dem Krieg mit dem Abschluss der Grundschule endete. Nichtsdestotrotz wurde die junge Hanna Barbara neben anderen Kindern dank ihren von der Urgroßmutter erlernten Fähigkeiten sowie der Liebe zur Riesengebirger Volkstradition und der aktiven Teilnahme an unterschiedlichen in der Stadt tätigen Kreisen zur Förderung der Volkstrachten häufig als sog. „Trachtenputzel”, ein in eine Volkstracht bekleidetes Mädchen, welches Blumen bei verschiedenen feierlichen Anlässen überreicht, eingeladen und dadurch hatte sie die Gelegenheit, viele berühmte Persönlichkeiten, wie etwa: Gerhart Hauptmann, Hanna Reitsch oder Gräfin Mia von Schaffgotsch kennenzulernen.


Das Kriegsende erlebte Hanna Barbara Rauthe in einem der Vorgebirgsdörfer, wo sie traumatische Erlebnisse wegen der großen Gefahr seitens der sowjetischen Soldaten, die Landgüter plünderten und örtliche Frauen vergewaltigten, hatte. Diese ungemein dramatische Erlebnisse sind später zur Grundlage des bekanntesten und wahrscheinlich literarisch gelungensten Buchs der Schriftstellerin und zwar des Erzählbands „Matka mit den bloßen Füßen“ geworden, in dem die Autorin authentische Erlebnisse schilderte, u.a. das ungewöhnlich suggestive Bild einer polnischen Umsiedlerin, die bei ihrer Familie ein deutsches Mädchen aufnahm, um sie vor Vergewaltigung und vor der Deportation zum Arbeitsdienst nach Russland zu schützen.

Sie sprach kein Deutsch, ich sprach kein Polnisch. Sie versteckte mich unter ihren Kindern und zog das Risiko auf sich, dass sie von der eigenen Volkspolizei und Soldaten bestraft werden könnte [2].

Nach der Vertreibung fand sich die künftige Schriftstellerin zunächst in der sowjetischen Besatzungszone in Thüringen ein, wo sie bei der Waldabholzung arbeiten musste. Auch hier half ihr ein Pole, mit dessen Hilfe es ihr gelang in den Westen zu flüchten. Die Tatsache, dass sie in den schwierigsten Momenten ihres Lebens Hilfe von Polen erfahren hatte, bewirkte wahrscheinlich, dass sie in späteren Jahren bereits in der Bundesrepublik Deutschland sich ungewöhnlich stark für die Verständigung und Versöhnung zwischen den beiden Nationen einsetzte.


Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs betätigte sich Hanna Barbara als Modedesignerin, Statistin, Haushaltshilfe und Büroangestellte.


Nach ihrer Heirat im Jahre 1950 und der Übernahme des Nachnamens ihres Mannes zog Barbara Strehblow nach Südbaden, in die im Länderdreieck (zwischen Frankreich, Deutschland und der Schweiz) gelegene Ortschaft Efringen-Kirchen, wo sie sich vor allem der Erziehung von vier Kindern widmete, ohne dabei auf ihren Heimatdialekt und die Verbreitung der niederschlesischen Volkskunsttradition, insbesondere jene berühmten Hirschberger Sticktechniken zu verzichten.


Nach dem Barbara Strehblow ihre Kinder großgezogen hatte, nahm sie wie bereits weiter oben erwähnt das literarische Pseudonym Erle Bach an und widmete sich mit großem Engagement kultureller und literarischer Tätigkeit. Gerade ihr verdanken wir heute die Tatsache, dass die berühmten Hirschberger Stickereien und Spitzen [3] nicht in Vergessenheit geraten sind, weil die Schriftstellerin nicht nur Kurse für schlesische Stickerei anbot, sondern auch Vereine, die schlesische Trachten kultivierten und gar das „Archiv des schlesischen Dialekts” [4] oraz wydawała periodyk „Woas die Stoare pfeifa” [Ło cym gwizdają szpoki] gründete, außerdem gab sie die Zeitschrift „Woas die Stoare pfeifa” [Ło cym gwizdają szpoki] in der schlesischen Mundart [5] heraus, die vor 1945 ca. sieben Millionen Menschen sprachen. Die Schriftstellerin engagierte sich genauso intensiv für schlesische Vertriebenenverbände, wo sie sich immer für die Idee der Versöhnung und Verständigung einsetzte, was ihr Respekt seitens Simon Wiesenthals selbst einbrachte.


Das literarische Hauptmotiv von Erle Bach war das Leider der Mütter und ihrer Kinder im Krieg. Die Schriftstellerin beschränkte sich dabei nicht nur auf das Nachdenken über die Schrecken des Krieges, sondern schrieb auch wunderschöne Texte über ihre verlorene Heimat - Niederschlesien. Wir verdanken ihr u.a. eine sehr gewandt geschriebene literarische Monographie über Hirschberg „Das alte Hirschberg zwischen Handel und Poesie”, der die heutigen Einwohner von Jelenia Góra sehr viele interessante Informationen über die Geschichte ihrer Stadt entnehmen können.


Eine schwere Herzkrankheit, infolge deren Erle Bach im Mai 1996 verstorben ist, machte ein jähes Ende der ungemein aktiven Tätigkeit der Schriftstellerin, die mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde (darunter u.a. mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland am Bande).


Anmerkungen:

[1]Vgl. Erle Bach – aktive Auseinandersetzung mit Heimat und Vergangenheit. In: Badische Zeitung, Nr. 220, 22./23. September 1990. In der psychiatrischen Anstalt in Plagwitz wurde in der Nazizeit Euthanasie auch an Kindern verübt. Die Anstalt wies eine interessante Geschichte nach dem Krieg auf: in den fünfziger Jahren fanden hier über 1000 Kinder aus Nordkorea Zuflucht. Vgl. Jolanta Krysowata, Skrzydło Anioła. Warszawa 2013.

[2]Vgl. Hartmann Iris, Laudatio auf Erle Bach. In: „Schlesische Bergwacht“ 1993, Nr. 43/7, S. 295. Übertragen von Józef Zaprucki.

[3]Vgl. Musterbuch des Deutschen Vereins für Schlesische Spitzenkunst E.V.[Online]. Hirschberg in Schlesien. [Eingesehen, 22. Mai 2014]. Zugang über: https://jbc.jelenia-gora.pl/dlibra/docmetadata?id=2476&from=&dirids=1&ver_id=&lp=1&QI=

[4]Archiv für Schlesische Mundart; Eichenweg 12, 25365 Sparrieshoop.

[5]Vgl. Die Mundart des Hirschberger Tales, Diplomarbeit von Hans Korn, Jelenia Góra 1938. Aus dem Bestand der Bibliothek Książnica Karkonoska in Jelenia Góra.


Werke:

  1. Die Knoblauchschmiede. Leer 1977.
  2. Matka mit den bloßen Füßen. Leer 1980.
  3. Brieger Gänse fliegen nicht. Leer 1980.
  4. Das ganze Riesengebirge in Farbe. Augsburg 1986.
  5. Niederschlesien in Farbe. Augsburg 1988.
  6. Baudenzauber. Husum 1991.
  7. Oberschlesien in Farbe. Augsburg 1991.
  8. Das alte Hirschberg zwischen Handel und Poesie: eine 700jährige Stadt im Herzen Europas im Spiegel ihrer Geschichte. Husum 1992.
  9. Riesengebirge. Augsburg 1993.
  10. In ihrem Atem schläft die Zeit. Husum 1995

Literatur (Auswahl):

  1. Gwadera Urszula: Niederschlesien als literarische Landschaft der verlorenen Heimat. [Magisterarbeit geschrieben unter der Leitung von dr hab. Elżbieta Dzikowska]. Wrocław 2001 [Breslauer Universität; Institut für Germanistik].
  2. Mańkowska Katarzyna: Erle Bach – Leben und Werk. [Magisterarbeit geschrieben unter der Leitung von dr Józef Zaprucki].Wrocław 2010. [Hochschule für Philologie in Wrocław, Lehrstuhl für Neuphilologie].
  3. Möller-Barbian Dorothee: Erle Bach – aktive Auseinadersetzung mit Heimat und Vergangenheit. „Badische Zeitung“ 1990, Nr. 220, S. 1.
  4. Hartmann Iris: Laudatio auf Erle Bach. „Schlesische Bergwacht“ 1993, Nr. 43/7, S. 295.
  5. Taraszczuk Izabela: Auf der Suche nach eigenen Wurzeln und eigener Identität – zum letzten Werk Erle Bachs „In ihrem Atem schläft die Zeit“. In: Sprachkontakte und Literaturvermittlung: Prof. Dr. Eugeniusz Klin zum 70. Geburtstag. Zielona Góra 2001. S. 225-229.
  6. Taraszczuk Izabela: Erle Bach-eine Riesengebirgsschriftstellerin. Die schlesische Literatur als Brücke im deutsch-polnisch-tschechischen Dreiländereck. In: Wiesław Hładkiewicz, Tomasz Jaworski (Red.): Człowiek pogranicza polsko-niemieckiego. Zielona Góra 2007.

Abbildungen:

  1. Rezension des Buchs „Baudenzauber“ zusammen mit dem Foto von Erle Bach in „Oberbadisches Volksblatt“, 1990 Nr. 220.
  2. Buchumschlag des Buchs über die Geschichte von Hirschberg.
  3. Foto der „Mutter von Riesengebirge”, Barbara Feist zusammen mit dem kleinen Mädchen in einer Volkstracht, Hanna Barbara Rauthe”. Siehe Das alte Hirschberg zwischen Handel und Poesie: eine 700jährige Stadt im Herzen Europas im Spiegel ihrer Geschichte. Husum 1992, S. 116.
  4. Erle Bach Grabplatte. A Värteljoahrhundert hoan mir gesommelt : 25 Jahre Arbeitskreis für schlesische Mundart [Dokument elektroniczny], Archiv für Schlesische Mundart 2007, S. 75. ( Link zur Position in Hirschberger Digitale Bibliothek).
  5. Muster schlesischer Spitze Siehe Musterbuch des Deutschen Vereins für Schlesische Spitzenkunst E.V., Hirschberg in Schlesien. Aus dem Bestand der Bibliothek Książnica Karkonoska in Jelenia Góra. ( Link zur Position in Hirschberger Digitale Bibliothek).
  6. Riesengebirge - der Herberge Erlebachova Bouda (Erlebachbaude). Der Besitz von Riesengebirgsmuseum in Jelenia Gora. MJG-H/FO 3752.
  7. Artikel von Erle Bach von Stanislaw Jawor. Skarbiec Ducha Gór, Nr 1. (1) 1997 r., S. 14-15.

Autor: Józef Zaprucki



Rezension des Buchs „Baudenzauber“ zusammen mit dem Foto von Erle Bach in „Oberbadisches Volksblatt“, 1990 Nr. 220.
Buchumschlag des Buchs über die Geschichte von Hirschberg.
Foto der „Mutter von Riesengebirge”, Barbara Feist zusammen mit dem kleinen Mädchen in einer Volkstracht, Hanna Barbara Rauthe”. Siehe Das alte Hirschberg zwischen Handel und Poesie: eine 700jährige Stadt im Herzen Europas im Spiegel ihrer Geschichte. Husum 1992, S. 116.
Erle Bach Grabplatte.
Muster schlesischer Spitze Siehe Musterbuch des Deutschen Vereins für Schlesische Spitzenkunst E.V., Hirschberg in Schlesien.
Riesengebirge - der Herberge Erlebachova Bouda (Erlebachbaude). Der Besitz von Riesengebirgsmuseum in Jelenia Gora. MJG-H/FO 3752.

Artikel: Artikel von Erle Bach von Stanislaw Jawor.

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